Mit ihrem berühmten Einbürgerungsfragebogen sind die Baden-Württemberger wieder mal Vorreiter. So kennen wir sie, die fleißigen, innovativen Schaffer, Häuslebauer und Erfinder der Kehrwoche! Doch plötzlich wird darüber heiß diskutiert. Irgendwie kann ich die Aufregung nicht so ganz nachvollziehen. Gut, einige Fragen sind vielleicht etwas undiplomatisch formuliert – aber man will denjenigen ja schließlich genau kennen, den man in sein „Reich“ reinlässt.
Ich bin Deutscher, und zwar von Geburt an, obwohl meine Mutter aus dem heutigen Tschechien stammt. Ja, ich bin seit neuestem sogar „Deutschland“, und wenn Hassan auch Deutschland sein will, muss er halt erst einmal einen Test absolvieren. Das finde ich richtig, und ich geh noch einen Schritt weiter: alle 80 Millionen bereits existierenden Deutsche sollten sich einem Test unterziehen. Immerhin handelt es sich um Wahlberechtigte, die mit ihrer Stimme über unser aller Schicksal entscheiden und das Bild Deutschlands im Ausland nachhaltig prägen. Und nur weil man als Deutscher geboren ist, muss man ja noch lange nicht für dieses Land geeignet sein.
Nehmen wir mal zum Beispiel die Deutschkenntnisse: besagte Baden-Württemberger werben ja sogar öffentlich damit, dass sie kein Hochdeutsch können (Mer Hesse kennes iwwerischens a nett).
Die Mehrzahl der deutschstämmigen Mitbürger unserer Republik kommt mit einem Wortschatz unter 2000 Wörtern durchaus durchs Leben, bei der Gruppe der unter 20-jährigen genügen oft weniger als 500 Wörter (von denen gut zwei Drittel aus dem angelsächsischen Sprachraum stammen). Wie man diese Wörter richtig schreibt, weiß kaum jemand – egal ob in alter oder neuer Rechtschreibung. Heute müssen viele deutsche Jugendliche fast befürchten, dass sie von Einbürgerungswilligen, die einen Deutschkurs für Ausländer absolviert haben, an Sprachgefühl und Eloquenz übertroffen werden.
Ordentliche männliche Deutsche können zwar anstandslos alle Bundestrainer seit Helmut Schön chronologisch aufzählen, versagen aber bei der Frage nach den letzten fünf Bundespräsidenten. Das Volk der Dichter und Denker kennt Schiller und Goethe vorwiegend von Straßenschildern – und redet von Leitkultur!?
Ist uns eigentlich klar, dass Pizza kein urdeutsches Gericht ist? Trifft es uns nicht tief in unserem deutschen Volksempfinden, dass der deutsche Gartenzwerg eine türkische Erfindung ist? Bereits vor 600 Jahren wurden im südostanatolischen Kappadokien gebrannte Tonfiguren vor die Häuser gestellt – wahrscheinlich aus Gründen der Abschreckung, um unliebsame Besucher abzuwehren (bei mir klappt das heute noch).
Auch die Meinungsfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes ist keine deutsche Erfindung – der vorhergehende Staat „made in Germany“ hatte sie bekanntlich ja nicht. Aber jetzt haben wir sie, die Freiheit alles sagen zu dürfen, sei es auch noch so dumm aus Kahlköpfen geblubbert.
Ja, wir können stolz sein auf unser Land. Wir haben die Homoehe, eine Bundeskanzlerin und die Kuckucksuhr. Und es geht wieder aufwärts! Wir lassen immer mehr im Ausland produzieren und werden so – schwupps – Exportweltmeister – das Paradoxon soll uns doch mal einer nachmachen! Der Pro-Kopf-Äppelwoi-Verbrauch und der Dax steigen wieder langsam aber stetig, und die durchschnittliche Dauer eines deutschen Geschlechtsaktes überschreitet endlich wieder die 5-Minuten-Marke – ein untrügliches Zeichen für eine positive Grundstimmung im Land.
Wir sind wieder offen und tolerant, gastfreundlich und herzlich.
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ lautet das Motto der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft in Germanien – und unsere türkischen Mitbürger fiebern mit uns gemeinsam für Deutschland, weil die türkische Nationalmannschaft nicht mitspielen darf. Oooohhh! – und wer ist schuld? die Erfinder von Ricola und Toblerone, und nicht die Baden-Württemberger.